Trustbelievechange – The House of Mikrodisko
20.11.2015
Drei Voraussetzungen
ERSTENS—Es ist nicht so sehr das «was». Es ist das mit «mit wem».
ZWEITENS—Zusammen ist man weniger allein.
DRITTENS—Onward lover, onward friend.
Drei Vertiefungen
I
«Nachts gehen wir im Kreise und werden vom Feuer verzehrt.» Wenn man aber sich nur verzehrt, ohne sich zusammenzufinden, also auf die Ansammlung von Gedanken verzichtet, ist das Ende der Verzehrung vorherzusehen. Mit purer Blödheit lässt sich Zeit totschlagen. Jedoch: Erst die Verbindung zur Gedankenansammlung macht diese tote Zeit zu bleibender Zeit. Es mag sich makaber anhören, aber im Grunde ist unser Vertrauen in uns um uns eine Ansammlung toter Zeit, in der wir Ideen hatten, uns – während wir alle gleichzeitig etwas erzählten – zuhörten. Es immer wieder schafften in den ruhigen Momenten einander mehr zu sein als Sekrete ausscheidende Bioorganismen. Das ein oder andere Sekret lässt sich in diesen Ansammlungen finden. Und das ist auch gut so. Aber gerade nicht der Punkt. Die Gedankenansammlungen, die wir geworden sind, als wir uns zuhörten – teils blöd, teils die geballte Weisheit dieser Welt – haben ein Netz ergeben. Eine fein zisellierte Struktur zärtlicher Momente gegen den Wirklichkeitswahnsinn. Ein vertrauter Blick in Richtung Perspektiverhaltung in den verlassenen Einöden der geistigen Achterbahnfahrt, die man uns als Leben vor die Füße geworfen hat. Ohne zu fragen. Die Folter sein möchte; möchte würde täte – das nötige Bewusstsein fehlt ihr. Automatismus für individuell Automatisierte. Eine Achterbahn denkt auch nicht drüber nach. Rauf, runter, Looping. Das interessiert sie nicht. Umso wichtiger – Umkehrschluss – wurde das Vertrauen der Ausgelieferten in die Struktur. Ins Netz. In die Gedankenansammlung. In einen Ort ohne Ort, eine beständige Fata Morgana, ein Schloss der Harmonie. In Lebewesen, die nicht mehr nur Personen waren. Die Menschen geworden sind. Die unsere Herzen bewohnt haben. Wohnzimmer. Küchen. Gärten. Schlafzimmer. Weil wir wissen: Es ist nicht so sehr das «was». Es ist das «mit wem».
II
Eine Abhandlung zum Glauben befindet sich in der Gefahr, atheistische Gottesapologie zu betreiben. Sich mit der falschen Vorstellung des Paradies’ gemein zu machen, einer Verkündung des guten Lebens in einer Zukunft, die wir nicht erleben. Wir sagen: «Paradise now, Fegefeuer whenever». Unsere Kirche heißt Disko; denn – seien wir ehrlich – von Messwein wird man nicht betrunken. Die Dosis des Gifts von einem Pfaffen bestimmen zu lassen ist ein zweifelhaftes Konzept. Pfaffen, phänotypisch schön und gut. Röcke sind unterbewertet. Aber die inneren Werte. Davon ab: Als wäre es nur die Kirche. Männlein, Weiblein, Warenform. Eine Welt ruiniert durch Alltagsglauben und Ideologiequacksalberei. Beherrscht vom heterosexuellen, weißen Mann. Einer erbärmlichen Kreatur, die Mitleid wie Kastrationsphantasien gleichermaßen provoziert. Saubere Leistung. Apropos Leistung: Vertraue keiner Spin Doctor, die du nicht selber gedreht hast. Ohne Glauben aber geht es auch nicht. Traurig? Nicht unbedingt. Das glauben ist etwas anderes als der Glauben. Die Gründe, die uns glauben lassen, sind so vielfältig, so gut, so falsch, so temporär wie dauerhaft. Wir glauben an schöne Lügen und Gerüchte. An Temporärwahrheiten und Daueraphorismen. An die Hoffnung, jene untreue Illusion besserer Tage. Der entgegengesetzte Ansatz, pure Vernunft. Auch nur ein Glauben. Weil es eben endlich ist, was wir als pure Vernunft fassen können. Die graue Masse, die niemand versteht, kommt ans Ende ihres Fassungsvermögen, wenn man ihr einen verzerrten Spiegel vorhält; ach, seien wir weiterhin ehrlich: Bei bloßer Betrachtung der uns verzehrenden Umwelt. Zwischen Verzehrung und Verzerrung sind wir Getriebene. Machen weiter, weil wir wissen, dass es weitergehen muss. Verlieren einander, kommen zurück. Glauben an Nächte in den Armen der anderen. So halten wir uns fest, weigern uns zu fallen. Weil wir wissen: Zusammen ist man weniger allein.
III
Status quo: Kindergarten, Blitzkrieg, Sauerkraut, Willkommenskultur. Der freundliche Deutsche als Charaktermaske des zündelnden Arschlochs. Wir werden uns erheben und wir werden alles umstürzen. Wir werden nicht anhalten können, bevor der Engel der Geschichte ein Lächeln auf seinem Gesicht trägt. Bevor der Sturm des Fortschritts nicht mehr vom Paradies her wehen wird, weil der Begriff des Paradieses eine obsolete Vorstellung jener Tage geworden ist, in denen wir noch träumen mussten, um eine schöne Welt wenigstens zu imaginieren. Bevor der Trümmerhaufen Vergangenheit bestiegen sein wird. Bevor die Geschichte der Sieger*innen zur Geschichte der Menschen wurde. Bevor es keine Sieger*innen mehr geben wird. Dieser Umsturz wird einer sein, der die Orte verlässt, an die bis jetzt bei Umsturz gedacht wurde. Ein Aufstand aus jedem Schlafzimmer, aus jeder Küche. «You can plan a lot of damage from the kitchen. It’s also where the knives are kept.» Den Ort alltäglicher Verpflegung schon mal so betrachtet? Ich nicht. Danke, Laurie. Die maladie du doute werden wir gemeinsam zu einem doute saine ummodeln, uns im schönsten Zweifel der Sonne entgegen werfen, im Regen tanzen. Wir werden weinen, weil wir müssen. Wir werden lachen, weil wir geweint haben. Wir werden verrückt sein und uns damit wohlfühlen. Wir werden die Mauern niederreißen, die uns glauben lassen, dass wir verschieden wären. Uns als Individuen wiederfinden, die das falsche Bewusstsein besiegen. Unsere Aufgabe wird sein, uns nicht in falschen Verallgemeinerungen zu verlieren und gegen die blinde Konkretion anzugehen. Die Negation wird unsere Freundin sein. Stolz werden wir mit ihr die Gedankengebäude der Gegenwart zu handlichen Stücken verarbeiten, sie dem Jetzt und seinen Bütteln entgegenwerfen. Unser Lobgesang auf die wirkliche Bewegung: «Es gibt noch eine andere Welt/ Ich erkenne eure Gesetze nicht an/ Ihr werdet vergehn». Vielleicht werden wir scheitern, ganz sicher nicht aufgeben. Weil wir wissen: Onward lover, onward friend.